Topfgucker 2022

Wir wollten wissen, was bei euch auf dem Platz so auf den Teller kommt und haben in allerlei Töpfe und Pfannen und selbstverständlich auf den ein oder anderen Grill geschaut. So waren wir also selbst mächtig gespannt, was wohl im ersten Topf blubbern würde und fanden beim Lüften des Deckels tatsächlich nur heißes Wasser vor, das zum Spülen und für 5-Minuten-Terrinen verwendet werden sollte… Bei den diversen anderen Camps fanden wir eine breite kulinarische Palette vor, da wurde Gemüse gegrillt, es gab Gemüseeintopf, selbstgebackenen Marmorkuchen und am meisten Aufwand betrieb eine Gruppe, die tatsächlich einen eigenen Räucherofen vor Ort hatte und dort gleich elf (!) Kilo Sparerips zubereitete. Mahlzeit!

17.08.2022 - Der Tagesbericht

Freunde, es geht los! Wie lange ist es her? Ach, völlig egal, wichtig ist nur: Wir haben die Durststrecke mit Kaltschorlen zu Hause überstanden und sind endlich wieder beim SUMMER BREEZE!

Das denken sich auch die Secus am Einlass, die kurz vor Geländeöffnung um halb zwei noch ein Gruppenfoto schießen. Gute Erinnerungen sind die besten Gedanken! Aus dem Ficken-Stand dröhnt indes „Wir müssen aufhören, weniger zu trinken“ von Betontod. Irgendwie fügt sich immer alles zusammen, oder?

Nach einer leichten Verzögerung öffnen sich die Tore – und wie erwartet strömen zig Menschen sofort gen Merchstand. Nichts hat sich geändert – gut so! Der erste Einlassdurchquerer feiert seinen Triumph mit einem eleganten Purzelbaum: 10/10 in der Haltungsnote und 666 Extrapunkte für die Aktion an sich.

Weniger glimpflich geht der Versuch eines anderen aus, der sich dachte: Heute, jetzt ist der Moment, an dem ich grazil über eine Mülltonne springe. Falsch gedacht. Der Gute streift die Oberseite und fällt samt Tonne ins sonnengetrocknete Feld. Da er sich nichts getan hat, bedanken wir uns hiermit für den frühen Lacher. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt.

Die Menschen verteilen sich heiter: an den Bierständen, bei exotischeren Anlaufstellen mit Hawaiihemden und Plastik-Fantasy-Utensilien, an etlichen Platten- und Patch-Ständen und natürlich beim offiziellen Merch – dort ist die Schlange fast länger als unser aller Atem, endlich wieder beim SUMMER BREEZE zu sein.

Traditionen sind wichtig. Also steht pünktlich um drei Uhr die Blasmusik Illenschwang auf der T-Stage. Sagenhaft, wie die Metal-Massen die Genre-fernen Musikerinnen und Musiker abfeiern. Schon vorher ertönen vorfreudige Illenschwang-Rufe und spätestens bei „Es ist so schön bei euch, wir haben euch so gern“ avanciert der Auftritt inmitten frenetischen Jubels wie gewohnt zum heimlichen Headliner.

Und hier stehe ich in meinem Behemoth-Shirt, sehe aufblasbare Einhörner, höre Blasmusik und stelle mir den Gesang dazu à la Corpsegrinder vor. Und ja, ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen, denn bei all den tiefer gestimmten Gitarren und allen Growls, die noch kommen werden, ist es diese positive Grundstimmung, die das BREEZE so besonders macht.

Passend dazu stößt ein Vorbeilaufender mit meinem Kollegen an und sagt: „Kein Schwein trinkt allein.“ Richtig, denke ich und schaue mich um: Menschen in Bademänteln, ein Mann mit blauem Bart, andere in plüschigen Tierkostümen, wieder andere im extravaganten Gothic-Outfit und dazwischen die Kuttentragenden. Die Polonaise vor der Bühne verdeutlicht es: Das hier ist Gemeinschaft, das ist Metal (trotz Blasmusik).

Ist es Kunstnebel oder sind es Staubwolken, die ich da in der Ferne sehe? Die Sonne ist weiterhin unbarmherzig und verschwindet nur selten hinter Wolken. Stört das die Laune? Keinesfalls! Es ist Zeit für den Mainstage-Opener: Raised Fist beginnen extrem energiegeladen – und der Fronter gewinnt schon jetzt den inoffiziellen Hochsprungwettbewerb.

Raised Fist sind ein gut gewählter Auftakt, denn der groovige Hardcore aus Schweden kitzelt auch den letzten Funken Festivalbock aus den Leuten und regt zum Bangen und Bewegen an. Vor der Hauptbühne ist es entsprechend voll und insbesondere bis zum ersten Wellenbrecher läuft die Auftaktsause heiß.

Wer ein Metal-Festival nur mit schwarz gekleideten Menschen und heruntergezogenen Mundwinkeln verbindet, dem zeigt das SUMMER BREEZE einen freundlichen Mittelfinger. Aggressiv ist hier nur die Musik – ansonsten feiern Black- bis Modern-Metaller eine riesige gemeinsame Party. Und zwischendrin tanzen und hüpfen Kinder – familienfreundlich.

Es wird voller, denn Caliban schicken sich an, als zweite Band auf der Main Stage in Schutt und Asche zu legen. Und das funktioniert ,trotz Knieproblemen von Fronter Andreas Dörner, richtig gut. Ganz ehrlich, nie war ein Staubbad schöner als hier. Bewegt euch, Leute!

Was macht ein richtig gutes Festival aus? Genau, wenn auch auf der kleinsten Bühne parallel viel los ist. Der Brutal-Slam-Death von Gutrectomy, entschuldigt meine Wortwahl, zerfickt die Ficken Party Stage. Wenn es hier keinen Pit gibt, können wir das Festival beenden. Glücklicherweise gibt es die gleich en masse und auch das Crowdsurf-Fließband läuft auf Hochtouren. Ehrlich, Freunde, genau so muss Festival sein – alle kommen auf ihre Kosten! Und manche bekommen sogar einen Gratis-Pfeffi, wenn sie heil am Bühnenrand andocken. (André Gabriel)

Auf der Main Stage zeigt sich das SUMMER BREEZE als Festival der Kontraste: Nach dem Metalcore-Abriss von CALIBAN macht sich um 19:10 Uhr des Hauptmanns geiler Haufen FEUERSCHWANZ auf, die Menge mit Mittelalter-Rock zu begeistern. Danach steht auf dem Headliner-Slot mit EISBRECHER eine gesunde Portion Neue Deutsche Härte auf dem Programm.

Beides ist nicht notwendigerweise mein Beuteschema, also schnappe ich mir einen Kollegen, um mir vor der Bühne das Phänomen FEUERSCHWANZ erklären zu lassen. Okay, das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben, denn die Franken sind mir aus Interviews durchaus ein Begriff: Dort berichteten sie von Begegnungen mit Fabelwesen und diskutierten die richtige Anwendung des Genitivs des Wortes „Met“ und nicht zuletzt ihren Bandnamen. Mein Fazit: Humor haben sie. Allerdings sind FEUERSCHWANZ mit den letzten Alben zumindest etwas ernsthafter geworden, berichtet meine Begleitung. Aus Hauptmann Feuerschwanz wurde „Hauptmann“, aus Prinz Hodenherz kurz „Hodi“, und Johanna hat ihre Vögelweide mittlerweile verlassen.

Ich lasse meinen Blick über das ordentlich gefüllte Infield schweifen und stelle schnell fest: Für eine Band, die einst als Comedy-Kapelle gestartet ist, sieht das mehr als respektabel aus. Da steht der Folk Metal-Fan neben dem Traditionalisten, und auch der Death Metal-Aficionado steht nicht verschämt abseits, sondern lauscht gebannt der Minne. Trinkhörner (sehr viele und in allen Größen) treffen auf Dreispitz, Strohhut auf Kutte, der steampunkige Pestdoktor auf den Normalo. Einzig die Kettenhemd-Verkleidung des Hauptmanns sucht man im Publikum vergebens – vielleicht sind da ja die sommerlichen Temperaturen der entscheidende Faktor, sich doch lieber etwas luftiger zu kleiden.

Textsicher sind aber die meisten Fans: Egal ob es jetzt um „Memento Mori“, „Metfest“ oder „Rausch der Barbarei“ handelt, Mitsingen geht immer. Und Tanzen, Hüpfen oder mit der in die Höhe gereckten Pommesgabel den Scheibenwischer machen. Und wenn der Hauptmann und Hodi Sonnenbrillen aufziehen, weiß der Fan: Jetzt kommt mit „Dragostea Din Tei“ eine Coverversion des Sommerhits des Jahres 2003. Das garantiert Partyfeeling auf dem Metal-Festival.

FEUERSCHWANZ haben aber noch weitere Songs gecovert, raunt mir mein Kollege zu. Als unzählige Fans die Arme in die Höhe recken, die eine Hand um das Handgelenk des anderen Arms, dämmert es mir: Die Mittelalter-Barden machen den Joey Di Maio und covern MANOWAR, in diesem Fall den Singalong-Klassiker „Warriors Of The World United“. Das sieht ziemlich beeindruckend aus. Dabei ertappe ich mich bei der Frage, ob FEUERSCHWANZ nicht auch einen eigenen Gruß brauchen. Na gut, als nächstes spielt des Hauptmanns Haufen „Die Hörner Hoch“, und Dutzende Fans ziehen ihre T-Shirts aus, um sie in der Luft rotieren zu lassen. Wer das albern findet: Nein, bei den Temperaturen ergibt das durchaus Sinn.

Ob sich EISBRECHER-Frontmann Alexx Wesselsky davon hat inspirieren lassen? Immer wieder kündigt er an, sich doch ausziehen zu wollen. Allerdings ziehen weder er noch „die schönste Glatze Deutschlands“ (Schlagzeuger Achim Färber) blank. Macht aber nichts, denn auch so haben der „Checker“ und seine Mannen sowohl die Herren der Schöpfung als auch die gesamte Damenschaft auf ihrer Seite. Da wird zu den harten Rhythmen der NDH-Band getanzt, bisweilen grazil, manchmal eher verschämt. Eigentlich wird bei Wesselskys Ansage „Herzt euch“ aber selbst der härteste Metaller zum Schmusekater.

Nochmal zurück zum Expertenurteil meiner Kollegen: Als EISBRECHER „Anna – lass mich rein, lass mich raus“ covern, brauche ich nur einen kurzen Moment, bis es aus mir rausschießt: TRIO! Auf die anschließende Diskussion des herrlich bescheuerten Textes („Hat er da wirklich ‚Dieter‘ gesungen?) lasse ich mich nicht ein. Ich fühle mich allerdings alt. Und ich vermute, dass nicht jeder beim Intro von „This Is Deutsch“ hört, dass EISBRECHER mehr als nur dieses eine Mal TRIO zitiert haben.

Die Main Stage zeigt sich also als Ort der großen Kontraste, aber auch des verbindenden Beieinanders der Metal-Community. Hauptsache, man wird gekonnt unterhalten. Und das sage ich als alter Death Metaller nicht nur, weil als nächstes FLESHGOD APOCALYPSE auf der Bühne stehen. (Eckart Maronde)

Ich glaube, hier beschwert sich niemand über die wohlige Dunkelheit und das inzwischen deutlich angenehmere Klima. Dass am Ficken-Stand im Infield mehrere Menschen ausgelassen „Hier kommt die Sonne“ singen, hat natürlich andere Gründe. Trotzdem ein schöner Moment, um ins letzte Drittel des ersten großen Festivaltages zu starten.

Direkt daneben steht der metal.de-Stand, an dem zum ersten Mal alle Autogrammstunden stattfinden. Ein Vögelchen hat gezwitschert, dass immer wieder Leute kommen, um auch von der metal.de-Crew Unterschriften auf Karten und allerhand aufblasbaren Dingen zu bekommen – Integration à la SUMMER BREEZE.

Kurz vor halb zwölf verwandelt sich die Main Stage wieder in einen riesigen Menschenmagnet: Korpiklaani entfesseln eine traditionell und feuchtfröhlich geprägte Folk-Metal-Party, die reichlich gehobene Becher erntet. Dazu hantiert einer im Publikum gekonnt mit Pois – natürlich ohne Feuer.

Mittendrin auch ein Besucher im kunterbunten Hippie-Look, der dem dominanten Schwarz einen coolen Farbtupfer verleiht. Nennen wir es harmonische Kontraste. Und genau das spiegelt sich auch im musikalischen Programm wider. Wer gerade keine Tanzlust verspürt, geht rüber zur T-Stage, auf der FLESHGOD APOCALYPSE ihren symphonischen Blackened Death Metal zelebrieren. Mir selbst geht das Black-Metal-Herz auf, als danach NYRST aus Island die Wera Tool Rebel Stage betreten.

Für alle etwas, davon eine ganze Menge, aber nie zu viel – so ließe sich das SUMMER BREEZE kurz zusammenfassen. Mitten in der Nacht Bogenschießen? Kein Problem. Bock auf eine Hair-Metal-Party? Ab zur Partymonium Disco an der Ficken-Stage. Und so weiter. Eine Vielfalt, die sich in den Besuchern wiederspiegelt.

Die euphorische Stimmung kann auch der einsetzende Regen nicht trüben. Stattdessen packen die Apokalyptischen Reiter passend zum Wetter die Schlauchboote aus – „volle Kraft voraus.“ Und eine andere Liedzeile bringt unsere Emotionen und Stimmung perfekt auf den Punkt: „Alles ist gut.“ (André Gabriel)

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SIAMESE (16:05 Uhr, WTS)

Nachdem die Blasmusik auf der T-Stage verhallt war startete die Wera Tool-Stage gleich mit einem absoluten Festivalhighlight, den Dänen SIAMESE. Das sehr bunte Hemd ihres Fronters Mirza Radonjica passte perfekt zu dessen enormer Energie und top Laune und außerdem punktete er direkt vom Start weg mit launigen deutschen Ansagen. Die Deutschkenntnisse hatte er laut eigener Aussage, weil in dem Flüchtlingsheim in dem er lange untergebracht war, nur Deutsches Fernsehen lief und er mit Pro7 und Thomas Gottschalk Deutsch gelernt hat. Die Kombi aus enorm melodischen Refrains und derbem Geriffe hatte beachtlich viele Fans der Band vor der Bühne versammelt und die Begeisterung griff wie ein Flächenbrand auch auf die nur zufällig Anwesenden über, so dass schnell eine riesige, willige Masse entstand, die der Band glücklich aus der Hand fraß, mitklatschte, Crowdsurfer in den Graben schickte und sogar mehrere Wall of Death-Aktionen startete. Die Band war sichtlich begeistert von der Resonanz und wer sich wunderte, warum da nur vier statt der üblichen fünf Mucker auf der Bühne standen: der Gitarrist war am Vortag akut Magen-Darm-krank geworden und der Geiger (!) der Band hat sich in Rekordzeit die Songs draufgepackt und spielte eine mehr als souveräne Show. Der Drummer von SIAMESE trug während der Show ein BEARTOOTH-Shirt und das wäre mal ein perfektes Package für eine gemeinsame Tour! (Tom)

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PALLBEARER (16:50 Uhr, TS)

Nach der elektrisierenden SIAMESE-Show gings im Anschluss auf der T-Stage deutlich melancholischer weiter. Das sonnige Wetter war da an sich gänzlich unpassend, denn zu PALLBEARERs Sound hätten natürlich Dunkelheit und optimaler Weise noch Nebelschwaden gereicht werden sollen. Das Quartett aus Little Rock, Arkansas nahms stoisch hin und zelebrierte ihre Show leidenschaftlich. Nachdem ihr Meilensteinalbum „Sorrow And Extinction“ dieser Tage seinen zehnten Geburtstag feierte, spielen die Jungs es auf der laufenden Tour in Gänze. Die Meute genoss die Show sichtlich, der Sound lud aber einfach nicht zu Circle-Pit & Co. ein, so dass während der fünf dargebotenen Doom-Epen ein sehr gesitteter Eindruck entstand; also eher stilles Genießen statt extrovertiertem Durchdrehen. Noch dazu war Sänger Brett Campbell eine wahre Quasselstrippe – nicht – und ließ sich über die gesamte Show zu vielleicht fünf Wörtern ans Publikum hinreißen. (Tom)

CALIBAN (17:40 Uhr, MS)

Zwölf Alben haben CALIBAN aus Essen mittlerweile auf dem Buckel und exakt in diesem Jahr – genau wie das SUMMER BREEZE Open Air – feiern die Jungs ihr 25-jähriges Bandjubiläum. Ein neues Album ist mit „Dystopia“ auch am Start. Also beste Voraussetzungen um nach RAISED FIST das moderne Einstandspaket zum Festival auf der Main Stage zu komplettieren. Ebenso wie bei ihren Vorgängern, jagt die deutsche Metalcore-Institution mit einer schier unbändigen Energie auf die Bühne und wirkt als hätte man sie nach zwei düsteren Jahren endlich von der Kette gelassen. Das betont unter anderem Bandkopf Andreas Dörner, dem man auch abseits seiner Ansagen eindeutig anmerkt, wie gerne CALIBAN wieder auf der Bühne stehen. Neben dem Publikum, das es sich nach dem letzten Act bereits vor der Hauptbühne gemütlich gemacht hat, haben sich noch eine ganze Menge weiterer Interessenten eingefunden, so dass der Mittwoch schon jetzt auch optisch ordentlich etwas hermacht. Nach einer Stunde Feuerwerk mit etwas höheren Anteilen an den neueren Songs, bei denen CALIBAN vermehrt stilfremde Elemente verbauen, hinterlassen das Nordrhein-Westfalen nach viel Bewegung in der Crowd erschöpfte, aber glückliche Gesichter. (Patrick Olbrich)

URNE (17:40 Uhr, WTS)

Vor einem raumfüllenden Backdrop entfesselten die drei – nur drei! – Herren von Urne ein wahres Inferno. Was besonders ihr neu in die Band aufgenommener Drummer James in den 30 Minuten Spielzeit darbot, war beeindruckend und dabei sah er auch noch so happy aus, als ob ihm eben mit dem Drumkit sein größter Weihnachtswunsch erfüllt worden wäre. Das komplette Gegenteil dazu war Sänger/Basser Joe Nally, der aussah, als würde er demnächst vor lauter Wut & Leidenschaft platzen, so engagiert war er bei der Sache. Er tigerte über die Bühne, bellte seine Texte ins Mikro und feuerte die Menge an, kurzum ein perfekter Fronter. Man war regelrecht geplättet von der Wucht die die nur drei Bandmitglieder da mit ihrem ganz eigenen Metalcore, Sludge, Doom und Death da entfesselten. Der abschließende Wunsch Nallys, dass die Leute doch nach dem letzten Song noch für ein Foto vor der Bühne bleiben sollten, wurde ihm nur zu gerne erfüllt. Ein fantastischer erster Besuch der Band auf dem SUMMER BREEZE. (Tom)

FEUERSCHWANZ (19:10 Uhr, MS)

Über das gut gefüllte Battlefield ziehen dichte Staubwolken und lauter Schlachtengesang. Klare Sache, FEUERSCHWANZ sorgen bis in die hintersten Reihen für Bewegung. Im Laufe der Jahre hat sich die Band nicht nur von alkohlschwangerem Klamauk mit Dudelsack hin zu einer ernstzunehmenden Mittelalter-Rock-Formation gewandelt, auch ihre Anhängerschaft ist dabei immer weitergewachsen. Und ich gestehe: Wo ich die Alben der fränkischen Lokalmatadoren noch vor wenigen Jahren nicht mit der Kneifzange angerührt hätte, haben sie es inzwischen geschafft, auch mich selbst zum Fan zu machen. Nun dürfen FEUERSCHWANZ also am frühen Abend von der Main Stage aus einen Soundtrack zum Sonnenuntergang kredenzen, der ausnahmslos romantische Gassenhauer wie „Untot im Drachenboot“ oder „Metnotstand im Märchenland“ enthält. Und wo die wärmenden Sonnenstrahlen endlich ein Einsehen haben, hält eine ganze Batterie an Gasbrennern die überhitzte Festivalmeute auf Betriebstemperatur.

Wenngleich die Begeisterung der Umstehenden ansteckend ist, so habe ich doch ein Einsehen mit meinen Mitmenschen und überlasse es anderen, den Boden unter den Füßen aufzugeben, um sich crowdsurfend in die Arme der Grabenschlampen zu stürzen. Dafür folge ich artig den erfreulich unpeinlichen Animationsbemühungen des Hauptmanns und seines Kompagnons Prinz „Hodi“ Hodenherz und stimme kräftig in die weittragenden „Hu! Ha!“-Schlachtgesänge mit ein. Als dann der kollektive „Schubsetanz“ ausgerufen wird, verschwindet die komplette Bühne in einer gigantischen Staubwolke. Das Publikum frisst den Franken aus der Hand und dabei eine ganze Menge Dreck.

Zum Überschäumen bringen FEUERSCHWANZ den Kessel dann aber nicht mit eigenem Material, sondern mit einer ziemlich unkonventionellen Cover-Version: Der ohrwurmelige Sommer-Hit „Dragostea Din Tei“ der moldauischen Pop-Gruppe O-Zone schlägt ein wie eine Bombe! Und angesichts dessen, dass die meisten der Anwesenden den rumänischen Liedtext wohl genauso wenig verstehen können wie ich selbst, geben wir uns doch gemeinsam erstaunlich textsicher. Die Band setzt hierfür stilecht und völlig unmittelalterlich Sonnenbrillen auf, wobei Prinz Hodi die seinige etwas über Gebühr beansprucht, so dass diese das Ende des Lieds nur noch mit einem Glas erlebt. Es bleibt indes nicht bei einer Fremdkomposition, ihren kurzen Zugabenblock eröffnen FEUERSCHWANZ mit dem MANOWAR-Überhit „Warriors Of The World United“. Und nachdem wir einmal mehr unsere Textsicherheit unter Beweis stellen konnten (nur echt mit Extra-Pathos im Heldenchor-Zwischenspiel!), gipfelt die Show im finalen „Die Hörner Hoch“, bei dem sich erwartungsgemäß zahlreiche der Traditions-Trinkgefäße gen Himmel recken. (Florian Schörg)

EISBRECHER (21:15 Uhr, MS)

Der Auftritt von Eisbrecher beim diesjährigen SUMMER BREEZE beginnt verheißungsvoll mit einer Verneigung vor dem Publikum direkt nach dem ersten Song sowie der Ansage, wie sehr die Band selbiges vermisst hat. Dankeschön, das geben wir selbstverständlich entsprechend laut und begeistert zurück! Das Infield vor der Main Stage ist auch rappelvoll, und sowohl eingefleischte Fans als auch restliche Zuschauer sind bei allerbester Laune.

In den folgenden anderthalb Stunden liefern Alexx Wesselsky und seine Mannen eine perfekte Show ab, sowohl was Sound als auch visuelle Umsetzung angehen. Allein die vielen Kostümwechsel des Frontmannes zwischen den einzelnen Stücken wirken wohlüberlegt und thematisch passend, und werfen bei mir nur die Frage auf, wie es Alexx bei den aktuellen Temperaturen den ganzen Song „Eiszeit“ lang mit Pelzmütze und Kapitänsmantel aus schwerer dunkler Wolle über seiner Anzughose nebst Hemd und Weste auf der Bühne aushält. Darüber, dass es aktuell noch immer ca. 27 Grad hat, kann auch während des Liedes vom Bühnenaufbau rieselnder Kunstschnee nicht hinwegtäuschen. Frei nach dem Motto „stay hydrated!“ wird denn auch auf der Bühne schon sehr früh der Wunsch nach Bier oder Schnaps „egal was, Hauptsache flüssig!“ laut. Ob dem nachgekommen wird, können wir leider nicht bezeugen, zumindest wird es nicht während des Auftritts konsumiert. Als sich der Frontmann gegen Ende des Sets die Kapitänsmütze aufsetzt, den Blick durch ein Fernglas über das Publikum schweifen lässt und „volle Kraft voraus“ anstimmt, hat bestimmt nicht nur er, sondern auch ein Großteil der Menge vor ihm das Gegenstück zu einem ausgedehnten Saunabesuch hinter sich. Als Zugabe gibt es dann noch ein Cover von „Out of the Dark“ von FALCO, womit die durchgeschwitzte, staubverkrustete Menge dann „to the night“ entlassen wird. (Sonja Schreyer)

PARADISE LOST (21:50 Uhr, TS)

Im Jahr 2002 standen die Briten erstmals beim SUMMER BREEZE auf der Bühne, und 20 Jahre später ist es tatsächlich bereits ihr sechster Auftritt, man kennt und schätzt sich. Im Bühnenhintergrund prangte ein prächtiges Backdrop, ansonsten wurde aber nicht in Aufbauten oder sonstige Deko investiert, der Mann am Lichtpult wusste aber Akzente zu setzen. Viel wichtiger als Deko: die Band war direkt ab dem Opener „Enchantment“ bestens gelaunt, selbst der kurzfristige Ausfall der Gitarre Aaron Aedys tat dem keinen Abbruch und der sonst auch schon mal recht wortkarge Sänger Nick Holmes machte diverse augenzwinkernde Ansagen wie z.B. „Vor vier Jahren haben wir das letzte Mal hier gespielt, seitdem haben wir ein paar Pfunde zugelegt und ein paar Haare verloren… Falls ihr den nächsten Song kennt, ruhig mitsingen, hier kommt „Faith divides us, death unites us“. Überhaupt die Setlist: die war wunderbar ausgewogen und reichte vom zweiten Album („Eternal“) über unausweichliche Megahits („As I Die“) bis hin zu Tracks vom aktuellen Album „Obsidian“ („Forsaken“ und das abschließende „Ghosts“). Und gegen Ende übermannte den Fronter ein derartiger Bierdurst, dass er das Publikum bat ihm Bier zu bringen und anbot direkt per PayPal zu bezahlen – als ihm die Grabensecurity kurz darauf gleich zwei Bier brachte, ging das aber offensichtlich ohne Bezahlung ab. Traditionen und Konstanten sind in jeder Familie wichtig, schön dass PARADISE LOST wieder mal dabei waren! (Tom)

1914 (22:50 Uhr, FPS)

„Hier ist es ja voller, als vor der Main Stage“ – ein Satz, der ab 22:50 Uhr vor der Ficken Party Stage bestimmt nicht nur einmal gefallen ist. Brechend voll, anschließend noch befeuert von Rückkehrern von PARADISE LOST, die zuvor die T-Stage unsicher gemacht hatten, starteten die Ukrainer 1914 in ihr Set. Wer könnte wohl derzeit glaubhafter und erschütternder vom Krieg singen, als der Fünfer aus Lwiw? Dabei wunderten sich die Anwesenden zunächst über den womöglich etwas leiseren Sound im Vergleich zu den anderen Bühnen, doch der energische Auftritt der Blackened Death Doomer machte dieses vermeintliche Defizit schnell wett. So hangelten sich 1914 mit sägendem Groove durch ihre drei bisherigen Alben, bevor Frontkeifer Ditmar Kumarberg mit einer intensiven Ansage von dem wahren Horror berichtete, welcher sein Heimatland derzeit überschattet. Resonanz der Zuschauer: Ein eindeutiges Zeichen gegenüber einem Staatschef, der für dieses Leid zentral mitverantwortlich ist. Im weiteren Verlauf setzten 1914 ihre Show nicht nur einfach fort, sondern hatten mit Noise von KANONENFIEBER noch tatkräftige Unterstützung bei einem weiteren Song. Die Menge dankte der Truppe mit frenetischem Applaus und das phasenweise etwas schmale Soundkonstrukt fiel nicht weiter ins Gewicht. (Patrick Olbrich)

SVALBARD (22:55 Uhr, WTS)

Am Mittwoch reihte sich eine weitere nachhaltige Erinnerung in meine Gedankenbibliothek ein. SVALBARD! Zu verdanken hatte ich diese Erlebnis abermals meinem großartigen Bruder im Geiste und Media-Office-Nebensitzer Tom, der mich nach einem ebenfalls erfrischenden Auftritt von PARADISE LOST zu SVALBARD auf die Wera Tool-Stage mitschleppte. Bis dato also ein rein britischer Start in die Nacht. Was dann folgte, war schlichtweg grandios und machte diesen Festivaltag unvergesslich. Sängerin Serena Cherry war bei bester Laune und sichtlich ergriffen vom Zuspruch der gut gefüllten Fläche vor der Wera Tool Stage. Diese Energie zog sich wie ein unsichtbares Band durch das komplette Set. Bemerkenswert auch die sozialkritischen Ansagen von Cherry, die die Null-Image-Attitude der Band unterstrich. Roh, direkt und intensiv gepaart mit fragilen Versatzstücken aus Sprechgesang kennzeichneten die Songs und ließen mich immer wieder mit Gänsehaut zurück. Post-Hardcore auf allerhöchstem Niveau. Ergreifend auch die gesanglichen Duelle zwischen Liam Phelan und Serena Cherry, die mit einer ungeheuerlichen Wucht durch die PA drückten. SVALBARD hatten an diesem Abend textlich und musikalisch eine leidenschaftliche Botschaft im Gepäck. Da spielt auch die kleine modische Stilblüte von Cherry in Form eines AMON AMARTH-Shirts, das irgendwie nicht so recht ins Bild passen wollte, nur eine amüsante Nebenrolle. SVALBARD haben an diesem Abend hoffentlich viele weitere Fans gewinnen können. Mich haben sie vollends glücklich in die Nacht entlassen. (Norman Sickinger)

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KORPIKLAANI (23:25 Uhr, MS)

Die Schnittmenge zwischen den Fans von EISBRECHER und KORPIKLAANI scheint auf den ersten Blick nicht allzu groß zu sein. So verwundert es auch nicht, dass die Menge vor der Bühne etwas kompakter ausfällt, als die finnischen Waldschrate die Bühne betreten. Wer jedoch geblieben ist, feiert die bierseligen Folk-Stücke umso begeisterter ab. Vor der Bühne wird eifrig geschunkelt und ordentlich zechend mitgegrölt. Bei wem der Alkohol dann seinen Tribut fordert, der reiht sich im hinteren Teil des Geländes ein und folgt KORPIKLAANI auf dem staubigen Boden sitzend. Bei mir persönlich weckt nahezu jedes Lied Erinnerungen an die ganz großen Klassiker der Rock- und Popmusik, was entweder für ein extrem glückliches Händchen für großartige Melodien spricht oder die Band als besonders dreiste „Borger“ entlarvt. Ist da nicht eben Ankie Baggers „Where Were You Last Night“ vorbeigeschwebt? Wie dem auch sei, im Gegensatz zur Mehrzahl der Anwesenden bin ich vermutlich nicht betrunken genug, um KORPIKLAANI wirklich wertschätzen zu können. Die überwältigende Spielfreude, mit der das Sextett agiert, ist dennoch enorm ansteckend und bringt mich immer wieder zum Grinsen und Mitwippen. Besonderes Aufsehen erregt wieder einmal Akkordeonspieler Sami Perttula, der nicht nur ein im Metal-Kontext absolut exotisches Instrument, sondern auch seinen irren Derwisch-Charme auf seiner Seite hat. So heizen KORPIKLAANI der Menge noch einmal ordentlich ein, egal ob sie von „Jägermeister“ oder „Vodka“ singen – erlaubt ist, was schmeckt und ordentlich Promille bringt. (Florian Schörg)

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DIE APOKALYPTISCHEN REITER (01:00 Uhr, MS)

DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind am ersten offiziellen Festivaltag tatsächlich irgendwie die Boten der Apokalypse. Zum einen ist der späte Slot um 1 Uhr nach einem langen Tag schon eine Besonderheit für sich, auf der anderen Seite schickt der Wettergott pünktlich mit den ersten Saitenanschlägen der Thüringer immer stärker werdenden Regen. Doch als der Vierer zu Beginn „von Freiheit singen will“, dem Opener des aktuellen Albums „Wilde Kinder“, hat die noch stattlich bis zum ersten Wellenbrecher anwesende Meute alle Rahmenbedingungen vergessen. Fuchs gibt sich wie gewohnt agil und gestikuliert intensiv mit den Zuschauern, während sich eigentlich alles wie immer anfühlt. Daran, dass dies aber lange Zeit nicht unbedingt so war, erinnert der Fronter indem er darauf hinweist, dass die DIE APOKALYPTISCHEN REITER an dieser Stelle zu ihrer ersten Show seit zwei Jahren antreten und somit ihr neues Material erstmals Live präsentieren. Doch auch ältere Stücke wie „Auf und Nieder“ von „Der Rote Reiter“ oder „Es wird schlimmer“ der 2008er-Platte „Licht“ haben die Jungs im Gepäck und liefern zu später Stunde einen energiegeladenen Auftritt mit Blick auf die bunte Bandgeschichte. Damit dürften sich die vielen nassen aber glücklichen Gesichter gegen 2 Uhr für alle Beteiligten gelohnt haben. (Patrick Olbrich)

Impressionen 2022