17.08.2023 – Der Tagesbericht

Der Donnerstag begann mit einem Kontrastprogramm der Sonderklasse: Während nämlich die niederländische Band BLACKBRIAR Tag drei des Festivals mit Symphonic Metal und dem glockenhellen Gesang von Frontfrau Zora Cock einleiteten, wurde das Infield vor der Main Stage vom berüchtigten Melmac-Schluckauf heimgesucht. Jedenfalls klang es so. Allerdings war es nicht Alf, der zottelige Serien-Alien aus den 80er-Jahren, der von fiesem Sodbrennen geplagt wurde, sondern nur die tschechischen Grindcore-Humoristen GUTALAX beim Soundcheck.

Puh, nochmal Glück gehabt. Oder auch nicht: Nämlich dann nicht, wenn man nicht auf den Fäkal-Humor des Vierers steht und der Meinung ist, dass Klobürsten und Toilettenpapier neben die Schüssel und nicht vor die Bühne gehören. Alle anderen hatten dafür die Party des Jahres. Außerdem durften sie sogar schon vor der offiziellen Premiere über die Videoleinwände neben der Bühne das animierte Filmchen zu „Diarrhero“ sehen. Unser Fazit: Kein Superheld ist perfekt.

Perfekt ist ein gutes Stichwort: Die nächste Band auf der Hauptbühne, die Melodic-Death-Metaller BE’LAKOR, und ihre Fans auf dem SUMMER BREEZE Open Air sind nämlich traditionell ein perfektes Gespann. Bei ihren bisherigen Auftritten auf dem Festival wurden die Australier jedenfalls immer euphorisch abgefeiert, und heute war das nicht anders. Da konnte man schon mal Gänsehaut bekommen.

Zeit für einen Spaziergang über das Festival: Von der Main Stage zur Ficken Party Stage inmitten des Campgrounds sind es Luftlinie genau 666 Meter. Ungelogen! Als wir also um 14 Uhr beim Metal-Yoga unsere Badetücher und Gummimatten ausbreiteten, waren wir also bereits aufgewärmt. Erst recht bei dem Programm, das uns links und rechts des Wegs geboten wurde: Erst TERROR auf der Main, dann SETYØURSAILS auf der Wera Tool Rebel Stage. Zweimal intensives Vollkörper-Workout vom Allerfeinsten. Damit ließen sich beim Yoga Sonnengruß, Hund und Kranich geschmeidig durchführen. Oder hießen die Figuren anders? Wie auch immer: Das linke Bein angewinkelt, den Fuß vor, die Hände zum Himmel – und jede Menge Spaß inne Backen!

Zurück auf dem Infield führte uns der Weg schnurstracks zur Main Stage: 15:15 Uhr, Zeit für GRAVE DIGGER. Und die Teutonenstahl-Legenden aus Gladbeck in Nordrhein-Westfalen hielten, was sie versprachen – und selbstverständlich auch das Banner des Schwermetalls hoch. Da können die Matten noch so angegraut sein: Einen zünftigeren „Heavy Metal Breakdown“ legt ja wohl niemand hin. Nochmal ‚Music made in Germany‘: Auf der T-Stage rockten sich die Aufsteiger THE NEW ROSES durch ihr Set – und das Publikum gleich mit. Das feierte nicht nur die Hardrock-Vollbedienung mit Ohrwürmern en masse, sondern auch diese sympathische und extrem spielfreudige Band. Wer sagt denn, dass hier nur die harten Bands gut ankommen?

 

Das SUMMER BREEZE ist nicht nur multikulturell und multimedial, sondern auch „multimusikalisch“. Da ertönte beispielsweise „Take on me“ von A-HA laut aus der Konserve – wie immer entpuppte sich der 80er-Hit als perfekte Möglichkeit, um so richtig falsch hoch zu singen.

Regen, Regencapes und Müllsäcke auf Menschen – ahhhh, Flashbacks zum letzten Jahr! „Are you enjoying the rain?“, fragte uns der Sänger von STICK TO YOUR GUNS. Digga, hast du dir mal Fotos von 2022 angeschaut? Nicht witzig. Allerdings haben wir großes Glück, weil das Unwetter weitestgehend an uns vorbeizog.

Aufgeschnappt: „Wenn AHAB so langsam laufen, wie sie spielen, kommen sie erst morgen zur Signing Session.“ Der war nicht schlecht. Die Jungs waren aber pünktlich und zudem mächtig guter Laune: Sie scherzten mit den Anwesenden und tauschten gegenseitig Anekdoten aus.

Plötzlich erschien ein kurioses Flugobjekt am Himmel. Ufo? Die größte Drone der Welt? Nein, ein Schraubenzieher-Heissluftballon von einem der Festival-Sponsoren, der bei einigen Phallusfantasien heraufbeschwor. Lassen wir jetzt einfach mal – Trommelwirbel – so stehen.

Wie war das noch bei Harald Juhnke? Immer etwas zu erleben, stets geile Bands und dezent einen sitzen? Oder so ähnlich… Auf jeden Fall war das Festivalgelände von den Essensständen weit hinten im Campingbereich über die Ficken Party Stage mit Supermarkt bis hin zum Infield und schließlich zur Hauptbühne wieder ein kunterbuntes Spektakel, bei dem man allerhand erleben konnte. Auch musikalisch, denn wer an den vielen Ständen vorbeiging, fühlte sich wie in einer Jukebox.

Hinzu kamen Nummern, die die Menschen auf ihren Wegen sangen – wie einen „Spongebob“-Song, den gleich mehrere gut geölte und top aufeinander abgestimmte Kehlen grölten. Da dachte ich grinsend zurück an den Tagesauftakt, als das „Ghostbusters“-Lied den GUTALAX-Gig einleitete und erfolgreich unsere Lebensgeister weckte (höhö). Schmeckt ein Lachsbrötchen zur Musik der Tschechen eigentlich besonders gut? Ich frage ja nur.

Festivals wecken auch immer das Kind in uns – okay, ein Kind, das in einer Parallelwelt ohne altersbezogene Alkoholregeln lebt. Aber der Spieltrieb erblühte heiter – zum Beispiel bei den Leuten, die am metal.de-Stand mit einem großen Ball tollten und auch den Secu in ihre sportliche- spaßige Betätigung einbezogen. Inklusion, Baby!

Ganz und gar nicht schön und in keiner Weise tolerabel sind Grapscher und andere sexuelle Übergriffe jeglicher Art. Warum schreiben wir das? Weil das Awarenessteam von mehreren Vorfällen berichtete. Daher auch noch mal die wichtige Info: Das Awarenesszelt hat beim SUMMER BREEZE rund um die Uhr geöffnet, hört dir zu und hilft dir weiter.

Nur mal so zum Verständnis: Als es abends hieß, ob man denn zu OBI mitkommen möchte, bezog sich das natürlich nicht auf eine Baumarktkette, sondern auf eine Old School Death-Bedienung par excellence. Der Florida-Fünfer OBITUARY um Frontgrunzer John Tardy und seinen Bruder Donald am Schlagzeug zelebrierten auf der T-Stage jedenfalls mit Hingabe ihren fast schon stumpfen, aber enorm effektiven Death Metal– und nicht erst beim Uraltkracher „Slowly We Rot“ verwandelte sich die Meute in ein Meer aus wogenden Haaren.

Apropos T-Stage: Falls ihr euch gewundert habt, wen das Motiv links und rechts der Bühne darstellte – das war der leider vor knapp zehn Jahren verstorbene Michael Trengert, ebenjener Mr. T., der unter anderem als Mitveranstalter des Festivals untrennbar mit dem SUMMER BREEZE verbunden war. Und wir sind uns sicher, dass ihm das Motiv mit ihm inmitten einer Meute Zombies gefallen hätte.

Zurück zur Mainstage, wo der heutige Headliner TRIVIUM seinem Status… na, ihr wisst schon. Außerdem korrespondierte das Backdrop mit dem farbenfrohen Japan-Motiv des Hemdes von Frontmann Matt Heafy. Ob die amerikanischen Metaller damit schon zur Riege der Masken- und Verkleidungsbands gezählt werden können? Ein Blick auf die Wera Tool Rebel Stage, und diese Frage konnte getrost verneint werden: Strumpfmasken, Uniformen aus dem Ersten Weltkrieg, eine Pickelhaube – KANONENFIEBER boten da schon deutlich mehr Mummenschanz als nur ein buntes Leibchen.

Wir müssen mal über die Tiere des SUMMER BREEZE Open Airs reden: Da gab es nicht nur aufblasbare Enten und Dinos und ausgestopfte Vögel (!), die im Pit geschwenkt wurden, auch Pokémons und Frösche wurden gesichtet. Und ein scheuer Dachs! Jedenfalls war WOLFHEART-Frontmann Tuomas Saukkonen sichtlich irritiert, als beim Gig seiner Band ein solcher erst im Pit auftauchte, später aber spurlos verschwunden war: „Wo ist der Dachs?“, rief er in die Menge. Später tauchte auch noch ein Hase auf – kurioserweise auf der Bühne und bei der Band FROG LEAP. Den tierischen Reigen voll machten an diesem Abend COBRA THE IMPALER, die sich auf der Bühne weniger giftig, sondern eher proggig treibend gaben.

GUTALAX (12:00 Uhr, MS)

Dank Publikumvoting waren die tschechischen Grind-Komiker GUTALAX diesmal auf die Main Stage gerückt. 2019 hatten sie noch die Wera Tool Rebel Stage gerockt und 2022 das Infield vor der T-Stage in ein Tollhaus verwandelt. Und als Einheizer auf der großen Bühne? Als bereits zum Soundcheck zu den Klängen des Baywatch-Songs Horden an Fans ins Infield strömten, war klar: Das würde wieder ein Start-Ziel-Sieg werden. Jedenfalls flogen zu den Klängen des Intros „Ghostbusters“ bereits die ersten Klopapierrollen und unzählige Klobürsten wurden geschwenkt. Währenddessen zogen die vier wie immer in weiße Ganzkörperanzüge gekleideten Tschechen alle Register. Sei es bei Songs vom Schlage „Fart And Furious“, „Robocock“ oder „Total Rectal“: Die kurzen Grindcore-Songs mit dem ulkigen Rülpsgesang wurden von Sänger Maty immer wieder mit bedeutungsschweren Gesten untermalt. Er selbst war es auch, der seinen Körper immer dann in geschmeidige Bewegung setzte, wenn er zum Tanzen aufforderte: Das war pures Disco-Feeling für alle. Als besonderes Bonbon spielte der Vierer noch vor der offiziellen Premiere ihr neues Video zum Song „Diarrhero“. Da blieb kein Auge trocken! Absolut großartig war auch der als MESHUGGAH-Coverversion angekündigte Song, der nach einem langen düsteren Intro keine drei Sekunden dauerte. Und wer wollte beim Flow eines Songs wie „Shitbusters“ nicht automatisch mitgehen? Klar: Der würde sich auch nicht in eine der auf dem Infield stehenden Mülltonnen setzen, um darin als Crowdsurfer in Richtung Bühne zu schweben. Bei GUTALAX ist das halt alles ganz normal.

SETYØURSAILS (13:45 Uhr, WTS)

Die Premiere von SETYØURSAILS auf dem SUMMER BREEZE fand bei reinstem Kaiserwetter statt. Gut, dass sie für die Wera Tool Rebel Stage eingeteilt waren. Da diese ein großzügiges Dach über dem Zuschauerbereich hat, drängten sich so dort bereits etliche Fans vor dem Auftritt der vier Kölner und warteten geduldig im Schatten darauf, dass SETYØURSAILS mit ihrem Auftritt loslegten. Trotz brennender Sonne wuchs die Menge immer weiter an, bis dann endlich Showtime war. Der Funke sprang auch direkt von der Band aufs Publikum über. Frontfrau Jules Mitch sprang wie ein Schachtelteufel über die Bühne und sang und growlte sich die Seele aus dem Leib. Die Zuschauer gingen voll mit, erfüllten der energiegeladenen Sängerin jeden Wunsch und eröffneten gleich mehrere Moshpits im vorderen Zuschauerbereich. Irgendwann fiel ihr dann ein Mädchen mit einem Schild auf, auf dem sinngemäß geschrieben stand, dass sie ihre Lieblingsband ihrem Freund verdanke. Auf die Frage hin, wo sie sich denn kennengelernt hätten, war die Antwort leider jedoch nicht SETYØURSAILS, sondern GHØSTKID. Trotzdem wünschte die Frontfrau alles Gute und erbat einen lauten Applaus für dieses süße Pärchen. Mit einer lautstarken Mitgrölaktion zu “FCKOFF“ schlossen SETYØURSAILS ihren Auftritt auf dem SUMMER BREEZE mit einem zünftigen Abriss. Premiere gelungen, würde ich sagen!

METAL YOGA (14:00 Uhr, FPS)

Pünktlich um 14:00 Uhr startete das Metal Yoga auf der Ficken Party Stage. Trotz der Hitze und der prallen Sonne hatten sich bereits rund 200 Sportwillige versammelt. Andere kamen noch nach und suchten sich ein Plätzchen in der Menge. Viele hatten sogar ihre eigene Yoga-Matte dabei. Bei anderen tat es auch die Isomatte aus dem Zelt oder der blanke Rasen. Das Animationsteam auf der Bühne begann mit einigen Aufwärmübungen, zog das Niveau aber zügig an und brachte die Versammelten schnell in recht anspruchsvolle Positionen. Auf die Verwendung von Fachbegriffen verzichtete die Kursleiterin größtenteils, wodurch auch diejenigen ohne Vorkenntnisse gut den Anweisungen folgen konnten. Zu musikalischer Untermalung unter anderem von BEHEMOTH und GHOST machte das Strecken und Verbiegen deutlich mehr Spaß als zu schnöden Entspannungstönen. Das heiße Wetter forderte allerdings hier und da seinen Tribut, denn obwohl die meisten tapfer durchhielten, gab es einige gerechtfertigte Ermüdungserscheinungen. Die Security verteilte Wasser, doch die meisten hatten sich ihre eigenen Getränke zur Hydration mitgebracht. Viele davon befanden sich in Dosen mit dem Fassungsvermögen 0,5 Liter. Drei Herren ganz vorne hatten sich solche Dosen gleich an beiden Händen mit Panzertape befestigt. Bei den Yoga-Positionen hinderte sie dies überraschend wenig.

VERSENGOLD (16:10 Uhr, MS)

Damit sich die Nordlichter VERSENGOLD auf dem Summer Breeze wie zuhause fühlen konnten, hatten sie nicht nur die Bühnenaufbauten im Stile eines Irish Pub gestaltet, auch eine „kühle Brise“ mit ersten zaghaften Regenschauern hielten sie für die Menge bereit. Die Fans nahmen es aber sportlich und schüttelten sich hüpfenderweise rasch trocken. Die Setlist war mit den großen Klassikern der jüngeren Bandgeschichte gespickt, die von Frontmann Malte Hoyer wortreich umrahmt wurden. Mit „Flaschengeist“ hatten VERSENGOLD darüber hinaus ein Stück vom für den 3. November 2023 angekündigten neuen Album „Lautes Gedenken“ im Gepäck, für das die Bremer die Werbetrommel genauso eifrig rührten wie für ihr Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Bandbestehen einen Tag später in der Hamburger Barclays Arena. Über die Eigenwerbung hinaus scheuten sich VERSENGOLD aber auch nicht, zu ernsthaften Themen Stellung zu beziehen, und machten mit „Braune Pfeifen“ (von Malte Hoyer um den unmissverständlichen Untertitel „Fuck AFD“ ergänzt) eine klare Ansage. Dem Publikum gefiel’s, wohingegen die Ankündigung des letzten Songs ganze 25 Minuten vor regulärem Showende für Stirnrunzeln sorgte. Doch natürlich hatten VERSENGOLD einen Plan, so dass Malte Hoyer und sein Bassist Eike Otten die ausgiebigen Mitsingspielchen bei „Kobold im Kopp“ und die anschließende Kurzunterbrechung nutzten, um sich mit ihren Mikrofonen ein Plätzchen inmitten der Zuschauermenge zu suchen. Hier gaben die beiden, unterstützt von den übrigen Musikern auf der Bühne, zunächst „Die letzte Runde“ zum Besten. Beim folgenden „Butter bei die Fische“ bildete sich um das dynamische Duo herum sogar ein veritabler Circle-Pit, der zusammen mit exzessiven Pyro-Attacken die starke Show der wohl aktuell wichtigsten deutschen Folkrock-Band zu einem überragenden Abschluss brachte.

ASHEN (16:30 Uhr, FPS)

Die fünfköpfigen Modern Metaller ASHEN aus Paris hatten heute leider Pech mit Petrus, der pünktlich zu ihrem Auftritt die himmlischen Schleusen öffnete und Regenschauer samt eines anrollenden Gewitters niedergehen lies. Anders lässt sich die geringe Zuschauerdichte auch nicht erklären, denn ASHEN spielten ein wirklich gutes Set, das keine Wünsche offen ließ. Optisch typisch französisches Understatement in relativ schlichter, jedoch zum Teil schon fast eleganter Kleidung, von Anzug mit Jackett und Sneakern bis hin zur schwarzen Hose mit weißem Tank Top, ließen ASHEN ihre Musik sprechen. Das anwesende Publikum war sichtlich begeistert und sprang, tanzte und moshte was das Zeug hielt. Die Stimmung war trotz Regen großartig, und die versammelte Menge ließ sich sogar zu einer kleinen, aber feinen Wall of Death bitten. ASHEN bedankten sich mit einem gelungenen Cover von NIRVANA‘s “Smells Like Teen Spirit“, das bei den Zuschauern spür- und hörbar gut ankam und rundum für glückliche Gesichter sorgte. Die in der Zwischenzeit ein wenig angewachsene Zuschauermenge wurde zum Abschluss in eine finale Wall of Death geschickt, aus der ein Beteiligter sogar mit blutiger Nase hervorging. Doch auch das tat der großartigen Stimmung keinen Abbruch, und die Menge verabschiedete die Band im zunehmenden Regen mit einem langen und lauten Applaus.

END OF GREEN (17:10 Uhr, TS)

Kaum eine andere Band ist derart verwoben mit der Geschichte des SUMMER BREEZE Festivals, wie die Göppinger Düsterrocker von END OF GREEN. Zum Signature-Sound mit der dreifachen Gitarrenpower gehören natürlich auch die trocken-humorigen Ansagen von Fronter Michelle Darkness, der nach dem Opener „Pain Hates Me“ die Zuschauerschar mit „Schönen guten Morgen Summer Breeze. Endlich gutes Wetter, kaum kommt der Darkness wirds dunkel!“ begrüßte. Der Regen hielt weder das enthusiastische Publikum noch die gewohnt leidenschaftlich performende Band davon ab, den Auftritt zu feiern. Und da man auch eine persönliche Bindung zum viel zu früh verstorbenen Festival-Mitveranstalter Michael Trengert – nach dem die T-Stage benannt wurde und der auch auf den Bannern neben der Bühne zu sehen ist – hatte, wurde vor „Hurter“ noch viele Grüße an ihn nach oben geschickt. In Sachen Songauswahl konzentrierte sich die Band eher auf ihre mittlere Schaffensphase – die letzten beiden Alben wurden komplett ignoriert – jedoch gabs einen exklusiven Sneak Peek in die Zukunft: die Band präsentierte zwei Songs von ihrem nächsten Album, das wohl 2024 veröffentlicht wird. „Ashes & Gold“ gabs auch vorher schon live zu hören, aber „Wasted Time“ gabs als Livepremiere! Die Band wird das Festival weiter begleiten!

WOLFHEART (18:35 Uhr, TS)

Der Regen hatte gerade nachgelassen, als WOLFHEART ihr Set auf der T-Stage begannen. Nach dem stimmungsvollen Intro mit Pianoklängen wirkte der Einstieg in „Skyforger“ wie ein Schlag ins Gesicht – allerdings ein sehr willkommener! Vom ersten Moment an lieferten die finnischen Melodeather eine tighte und druckvolle Show ab, bei der sich Fronter Tuomas Saukkonen und Gitarrist Vangelis Karzis bei der Gitarrenarbeit gegenseitig den Ball zuspielten und sich die Vocals zudem noch mit Bassist Lauri Silvonen teilten. Vor allem in Sachen Geschwindigkeit bewiesen WOLFHEART aufs Neue ihr Können. Sowohl die rollenden Drums und Blast Beats als auch die sägenden Gitarren waren für das menschliche Ohr kaum noch zu verfolgen. Zudem fragte man sich stellenweise, wie Lauri Silvonen es schaffte, beim Windmillen nicht vom Boden abzuheben oder sich gleich das Genick zu brechen. Selbst ein kleines technisches Problem während „Aeon Of Cold“ konnte WOLFHEART nicht aufhalten, denn nach einer minimalen Pause ging es weiter, als ob nie etwas gewesen wäre. Das SUMMER BREEZE-Publikum veranstaltete derweil einen nicht enden wollenden Circle Pit, in dem der ausgestopfte Dachs seine Runden drehte, der an diesem Tag gleich bei mehreren Bands gesichtet wurde. Gegen Ende des Sets entwickelte sich der Pit noch zu einer Wall Of Death. Mit „Breakwater“, „Zero Gravity“ und „The Hammer“ bildeten drei sehr starke Stücke das Finale und machten Lust auf die WOLFHEART-Tour diesen Herbst.

BEARTOOTH (19:10 Uhr, MS)

Wir drehen das Rad der Zeit mal eben fünf Jahre zurück: 2018 standen BEARTOOTH noch auf der T-Stage des SUMMER BREEZE und konnten trotz pünktlich zur Showtime einsetzendem Starkregen die Festivalbesucher fesseln und mitreißen. Und jetzt spulen wir wieder auf Jetztzeit und wurden Zeuge, wie BEARTOOTH die Massen vor der Main Stage zum Ausrasten brachte. Geschichten, die das Leben schrieb… Der amtliche Abriss der Band aus den Staaten dauerte 80 Minuten und ließ über die gesamte Spielzeit hinweg wenig bis kaum Zeit zum Luftholen. Mit „Devastation“ startete die Modern Metal-/Metalcore- Party und sorgte mit Tracks wie „Sunshine“ und „Disease“ für eine konstant hohe Anzahl an Crowdsurfern. Während es unten im Graben für die Security also ordentlich zu tun gab, absolvierte Caleb auf der Stage sein Sportabzeichen. Sprünge, Lufttritte, Läufe von einer Seite der Bühne zur anderen und immer wieder die Aufforderung an das Publikum es ihm nachzumachen. Energielevel auf 120 % oder auch angeknipst wie ein Duracell-Häschen. Dabei hatten BEARTOOTH ihre Fans in der Hand und dirigierten sie nach Belieben. Fronter Shomo forderte die Festivalbesucher zum Mitsingen und Mitschreien auf, nur um sie in der nächsten Sekunde mit einer abwinkenden Handbewegung zur kompletten Stille zu bringen. Darauf folgten dankende Worte an die Fans, denn offensichtlich genoss die Band diese Main-Stage-Party in vollen Zügen. „The Past Is Dead“ und „The Last Riff“ schnürten denn den Sack zu und Caleb verschwand samt Gitarre in der Menge, um sich selbst nochmal einen Crowdsurf zu gönnen. Zu Recht, denn BEARTOOTH waren voll da und lieferten perfekt ab.

PADDY AND THE RATS (19:40 Uhr, WTS)

PADDY AND THE RATS setzten auf irisch anmutende Shuffle-Rhythmen mit dominanten Geigenmelodien und bedienten damit eine Genrenische, die beim SUMMER BREEZE stets ihre Anhänger findet. Dementsprechend voll wurde es und da sich der Regen zwischenzeitlich verzogen hatte, war es tatsächlich die Musik, die die Leute vor die Wera Tool Rebel Stage lockte. Irgendwo zwischen FIDDLER’S GREEN und FLOGGING MOLLY hatten die ungarischen Möchtegern-Iren zwar wenig originelles, dafür aber umso enthusiastischer dargebotene Eigenkompositionen zu bieten, die man leicht für traditionell irisches Liedgut hätte halten können. Lediglich der Disco-kompatible Single-Hit „Matadora“ tanzte stilistisch aus der Reihe und bereicherte gerade dadurch die Setlist. Sänger Paddy O’Reilly spornte die Zuschauer regelmäßig zu ausgiebigen Mitsing-Spielchen an und erntete geradezu euphorische Resonanz. Kein Wunder also, dass PADDY AND THE RATS die gesamte Show mit einem kollektiven Grinsen auf den Gesichtern bestritten. Lediglich die mangelnde Kenntnis des Songmaterials stand vielerorts einem lautstarken Mitgrölen im Wege. Abhilfe schuf hier gegen Ende des Gigs der „Drunken Sailor“, der umso lauter über den Bühnenvorplatz schallte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch bereits die ersten Crowdsurfer formiert, die bis zum Ende immer weiter an Zuwachs gewannen. Und natürlich gab die Menge noch einmal alles, als PADDY AND THE RATS zu guter Letzt die Melodie des „Final Countdown“ anstimmten und damit eine intensive Irish-Folk-Punk-Show würdig beschlossen.

OBITUARY (20:30 Uhr, TS)

Die Klänge von „Snortin‘ Whiskey“ des kanadischen Sängers Pat Travers bildeten den passenden Rahmen als zunächst die komplette Instrumentalfraktion von OBITUARY auf die Bühne kam und mit „Redneck Stomp“ erst einmal in gefühlt endloses Riffing verfiel. Das soll aber im Sinne der Florida-Deather keineswegs als Kritikpunkt gelten, denn wenn eine Truppe absolut tight und gleichzeitig knochig hölzern wirken darf, dann ebendieses Quintett, das wie kaum eine andere Band als Inbegriff für US-Death-Metal gilt. Zu „Sentence Day“ gesellte sich dann auch Frontknurrer John Tardy zu seinen Kollegen, bevor auch der Gesamtsound mit „A Lesson In Vengeance“ so richtig ballerte. Danach entwickelte sich ein Festival aus schwingenden Mähnen, sägenden Riffs und surrendem Bass, wobei OBITUARY ein Killerriff nach dem Anderen aus den Hüften schwangen. Die untergehende Sonne, die relativ schnell kompletter Dunkelheit wich, verlieh den satten Klängen zusätzlich weitere Durchschlagskraft. Während zum Start der Show ein Überhang neuerer Songs der aktuellen Platte „Dying Of Everything“ bestand, durften die Zuschauer in der zweiten Sethälfte zu viel mehr Old-School-Material bangen. Mit „Slowly We Rot“ ließ einer der ältesten Tracks der Band die anwesenden Zuschauer glücklich und mit tosendem Applaus zurück.

TRIVIUM (21:15 Uhr, MS)

Das bunte Hemd von Sänger und Gitarrist Matt Heafy passte exakt zum farbenfrohen Backdrop – und das harmonierte wiederum mit der erstklassigen Laune der Anwesenden. Der Regen hatte sich verzogen, die Wolken sind aufgerissen und es breitete sich ein prachtvoll dämmernder Abendhimmel aus, der sich perfekt ins Farbschema integrierte. Was will man mehr? Natürlich eine fette Show von TRIVIUM, um das perfekte Szenario musikalisch zu untermalen. Dass die Band liefern würde, stand außer Frage. Sie hat den Headlinerstatus gekonnt verinnerlicht, bleibt dabei aber rundum sympathisch. Genau das hörte man in den Ansagen von Heafy, der munter zwischen englischer und deutscher Sprache wechselte („Everybody mit mir“), grundsätzlich aber viel Deutsch sprach: „Guten Abend, wir sind TRIVIUM. Wie geht’s euch … was, was, was … WIE GEHT’S EUCH?!“ Und als die Menge angemessen jubelte: „Das war fucking geil!“ Der Opener und Titeltrack vom 2017er-Album „The Sin And The Sentence“ sorgte mit seinen melodischen Parts und der ausgewachsenen Hookline-Qualität für Metal-Party-Stimmung. Dann verkündete der Fronter mit dem Schalk im Nacken, dass die beste Crowd in diesem Jahr beim Brutal Assault war um durch diese kleine Provokation die Motivation der Leute noch zu maximieren. „Like A Sword Over Damocles“ vom letzten großen Release „In The Court Of The Dragon” pumpte uns modernen Metal mit hohem Thrash-Anteil in die Gehirnwindungen. „Becoming The Dragon“ reiste zum dritten Album „The Crusade“ ins Jahr 2006 zurück – und bewies auch live, dass TRIVIUM damals besser als METALLICA waren. Isso!

„Singt mit mir, springt mit mir, my Friends.“ Selbstverständlich lebte der Gig auch von der positiven Energie von Heafy, der viel mit dem Publikum sprach und immer wieder frech die Zunge herausstreckte. Das sahen die Menschen, die weit hinten standen, zumindest auf den riesigen Leinwänden. Denn das Infield war richtig gut gefüllt – und so erlebten man von der Bühne bis zum anderen Ende einen überaus headlinerwürdigen Auftritt, den auch übergroße Feuerfontänen würdigten.

KANONENFIEBER (21:35 Uhr, WTS)

Pyros und Pickelhaube: KANONENFIEBER haben es sich auf die Standarten geschrieben, die Zeit des Ersten Weltkriegs im Death/Black-Metal-Gewand zu vertonen und lieferten eine entsprechende Show. Das bedeutete, dass die vier Mitmusiker von Frontmann Noise stilecht Uniformen mit Barett und der Sänger selbst ebenjenen markanten preussischen Helm trug(en) – die Gesichter zusätzlich unter Gesichtsmasken verhüllt. Derweil wurde nach dem Sperrfeuer des Openers „Die Feuertaufe“ ein Song über die „Dicke Bertha“ intoniert, eine 42-cm-Mörser-Haubitze – da durften auch Pyrosalven nicht fehlen, die vom Bühnenrand abgefeuert wurden. Wer sich jetzt über Show und lyrischen Ansatz wundert: Die Band möchte damit ein klares Anti-Kriegs-Statement liefern und nichts beschönigen. Da schlüpfte der Frontmann bei „Der Füsilier“ in die Rolle eines erfrierenden Soldaten, nur um im abschließenden „The Yankee Division March“ mit Totenkopfmaske und Flammenwerfer wieder aufzutauchen: Quasi die hässliche Fratze des Krieges. Trotz aller Schrecken hatten die Songs genügend melodische Elemente, und mit ihrer überzeugenden Show hatte die Formation das Publikum sehr schnell auf ihrer Seite. Darf man das sagen? Das hat schon Spaß gemacht.

AMENRA (22:25 Uhr, TS)

Bereits im Vorfeld zeichnet sich ab, dass die folgende keine beliebige Show werden würde. Die konzentrierte Vorbereitung seitens der Band und ihrer Crew war derart akribisch, dass sie nicht nur die beleuchteten Kühlschränke am Bühnenrand abkleben ließen, sondern sogar veranlassten, dass der benachbarte „Hau den Lukas“-Stand seinen Betrieb während des Auftritts einstellte um die vielen ruhigen Passagen der Belgier nicht zu sabotieren. Als es mit „Razoreater“ losging, dürfte auch den Leuten im Publikum, die die Band an diesem Abend zum ersten Mal sahen, sofort klar geworden sein, dass da eine außergewöhnliche Band auf der Bühne stand. Der gesamte Bühnenhintergund wurde als Projektionsleinwand für schwarz-weiß-Filme verwendet vor denen sich die Silhouetten der Band in der Folge wie Scherenschnitte abzeichneten, es wurde zudem nur mit weißem Licht (und Unmengen Nebel) gearbeitet und es gab keinerlei Ansagen. Schon zu Anfang gab es derart ruhige und fragil-stille Passagen, wie man es wohl noch nie vorher auf dem Festival erlebt hat bevor dann im nächsten Moment in bester NEUROSIS-Manier wieder Bergmassiv-große Soundwände aufgetürmt wurden. Tatsächlich drehte Fronter Colin H. van Eeckhout dem Publikum die meiste Zeit den Rücken zu und man hatte nicht den Eindruck, dass er irgendetwas fürs Publikum machte, das war eher eine Art öffentliches Ritual oder eine Therapiesession. Dabei verschmolz die Band zu einer unfassbar tighten Einheit, gerade der glatzköpfige Bassist Tim de Gieter schrie sich die Lunge aus dem Leib und bangte enorm hart zum mahlenden Beat der Band so dass die gesamte Performance der Band zu einer Art Gesamtkunstwerk wurde. Die wechselnden Projektionen, das perfekt dosierte und eingesetze Licht und vor allem natürlich die imposanten Kämpfe, die der Fronter mit den Dämonen seiner Vergangenheit ausfocht (man beachte das Bild mit der auf dem Rücken verrenkten Hand in der Bildergalerie!) entwickelten einen Sog, der wohl alle Anwesenden in den Bann zog. Umjubeltes Highlight in einem Set voller Highlights war das umjubelte „A Solitary Reign“ das dann leider nur noch vom abschließenden „Diaken“ gefolgt wurde. Was ein grandioses Erlebnis!

FROG LEAP (23:25 Uhr, MS)

Wer noch Bildungslücken in Sachen metallisch aufgewerteter Coversongs bekannter Pophits hatte, dem wurde beim Auftritt von FROG LEAP geholfen, diese zu schließen. Das ursprüngliche Ein-Mann Studio-Projekt des Norwegers Leo Moracchioli, das mit einer schrägen Idee und einem Youtube-Kanal begann, ist inzwischen so gefragt, dass eine Live-Umsetzung inklusive Band nötig wurde. Heute feierten sie ihr Debüt beim SUMMER BREEZE.  Bereits zum Start war klar, dass sowohl Band als auch Zuschauer mächtig Lust auf Party hatten. Entsprechend gut war die Stimmung, die den ganzen Auftritt über auf diesem Niveau bleiben sollte. FROG LEAP begannen erst einmal mit einer Version des allseits bekannten Klassikers “House Of The Rising Sun“, und verließen dann mit “Dance Monkey“ von Tones & I für so manche nicht Mainstream-affine Zuschauer gänzlich die bekannten musikalischen Gefilde. Dies tat dem Spaß jedoch keinen Abbruch. Es folgten Songs wie “Hello“ von Adele, “Pittbull Terrier“ von Die Antwoord und die Frage, ob die Leute, wenn sie Spaß haben, doch bitte ihren Bauchnabel zeigen könnten? Nicht wenige lüpften daraufhin grinsend ihre Shirts. Nach einer sehr schnellen und bouncigen Version von “Uptown Funk“ von Bruno Mars kam mit dem Titelsong von Pokémon ein Highlight. Bei diesem zeigte sich die Qualität der Band, denn es fanden spontan Instrumentenwechsel statt. Der Bassist setzte sich an die Drums, und Drummer übernahm den Bass und gab auch noch die Lead Vocals zum Besten – und diese richtig gut! Nach dem Song wurde wieder zur ursprünglichen Besetzung gewechselt, später bei Survivor’s “Eye Of The Tiger“ sollte sich dieser Wechsel aber noch einmal wiederholen. Es folgte – passend zur ausgelassenen Party im Zuschauerbereich – die “Party Rock Anthem“ von LMAFO. Kurz vor Schluss wurde es sogar noch ein bisschen romantisch, denn Leo und seine Kollegen spielten uns einen “Smoochie-Song“ in Form von “Listen To Your Heart“ von Roxette. Entsprechend begeistert wurde unter den Zuschauern auch geknutscht, gesungen und geschunkelt. Zum Abschluss ging es mit “Zombie“ von den Cranberries noch einmal richtig zur Sache, bevor Leo und Band das Publikum in gespannter Erwartung zu SLEEP TOKEN entließen.

SLEEP TOKEN (01:00 Uhr, MS)

Die im Jahr 2016 gegründete, stilistisch nur schwer in Kategorien zu packende Band SLEEP TOKEN ist zweifelsfrei einer der absoluten Senkrechtstarter im laufenden Jahr. Etliche Festivals haben die Briten in der laufenden Saison bereits gespielt und galten dort zumeist schon längst nicht mehr als Geheimtipp. Das Quartett reiht sich dieser Tage in den munteren Zusammenschluss aus maskierten Formationen ein, die ihre wahre Identität bisweilen verschleiert halten. Heutzutage beim besten Willen nichts Besonderes mehr, doch dafür sorgen SLEEP TOKEN schließlich mit ihrer imposanten audiovisuellen Präsenz. Mit einem idealen Slot in vollständiger Dunkelheit wurden die Besucher mit Durchhaltevermögen dann doch schon 20 Minuten nach dem eigentlich geplanten Showbeginn mit einer emotionalen Show der Londoner belohnt, die mit „Chokehold“, dem wohl größten aktuellen Hit der Band aus dem aktuellen Album „Take Me Back To Eden“, in ihr Set startete. Frontmann Vessel bewegte sich derweil auf leichten Füßen über die Bühne und ließ keinen Zweifel hinsichtlich der Intensität seiner stimmlichen Bandbreite aufkommen. Auch stilistisch/instrumental setzten SLEEP TOKEN im weiteren Verlauf mehr Akzente, welche die Besonderheit der Engländer mit knalliger Farbe untermalten. Songs wie „The Summoning“ pendelten gekonnt zwischen progressiven Elementen, massiven Gitarrenwänden und einem wahnsinnigen Stimmspektrum von Fronter Vessel. Immer dann, wenn man in Versuchung geriet, die Kombo mit relativ gewöhnlichem Prog-Rock abzustempeln, nahmen die Briten eine unverhoffte Wendung. Emotional, tiefgängig, teilweise schlicht erhaben – SLEEP TOKEN machten die durchaus atmosphärisch starke SUMMER BREEZE-Nacht am Donnerstag einfach mächtiger.

AHAB (00:20 Uhr, TS)

Eigentlich hätten BLOODBATH um 00:20 Uhr spielen sollen, doch kurz vor 22:00 Uhr kam die Meldung, dass sie durch eine Überschwemmung am Frankfurter Flughafen nicht rechtzeitig beim SUMMER BREEZE ankommen würden. AHAB sprangen spontan ein und nahmen es mit Humor. „Hallo SUMMER BREEZE, ich muss euch leider enttäuschen, wir sind nicht BLOODBATH, die spielen viel später. Dafür gibt es jetzt Doom.“ Damit war der spaßige Teil des Sets auch gelaufen, denn AHAB legten ein Trauertuch der Schwere über das Infield vor der T-Stage. Ihrem Namen und Thema entsprechend begann ihr Auftritt mit dem grollenden Knarzen eines hölzernen Schiffes auf See. Spärliches Licht und viel Bühnennebel sorgten zusätzlich für viel Atmosphäre. Schleppend stiegen AHAB schließlich ein und brachten das Publikum in eine sich langsam wiegende Bewegung. Lange, verträumt-melancholische Instrumentalpassagen führten zu tranceartigen Zuständen, die immer wieder jäh vom plötzlichen Einsatz harter Riffs unterbrochen wurden. Sowohl die gutturalen Vocals als auch der Klargesang von Fronter Cornelius Althammer ergänzten die schweren Töne hervorragend. Auf Ansagen verzichtete die Band und erhielt die Gänsehautstimmung so bis zum Ende des Sets aufrecht. Dieses endete mit einem Highlight, denn „The Hunt“ legte noch mal eine Ladung Schwere nach und vereinte die musikalischen Stärken von AHAB.

GROZA (01:25 Uhr, WTS)

Es ist immer wieder schön zu sehen, dass beim SUMMER BREEZE so viele verschiedene Musikgeschmäcker befüttert werden. Für viele, die gern Black Metal hören, war GROZA ein Highlight des Festivals. Das bestätigte sich trotz des starken Gegenprogramms auf der Mainstage (SLEEP TOKEN) sichtbar vor der Wera Tool Rebel Stage. Klasse, dass GROZA der Bühne gerecht wurden und einen handwerklich großartigen Gig hinlegten, bei dem auch die Atmosphäre natürlich eine wichtige Rolle spielte – vor allem das Orangerot, das sich wie infernalische Lava von der Bühne ins Rund ergoss, kam richtig gut. Die Münchener – insbesondere Fronter Patrick Ginglseder – punkteten optisch nicht nur mit der heutzutage üblichen „Verkuttung“, sondern auch mit einem angeschwärzten Rock’n’Roll-Gehabe samt in die Luft gerissener Gitarre, das optisch an UADA erinnerte. Dass sie musikalisch stark mit MGLA liebäugeln, ist mehr als nur ein offenes Geheimnis – schon der Bandname sagt alles. Das ist vollkommen in Ordnung, denn GROZA kreieren in dem Kosmos fantastische Musik, die sie live berauschend rüberbringen. „Cheers, SUMMER BREEZE“, prostete Ginglseder den Leuten ohne Mikro zu und nahm selbst einen kräftigen Schluck aus der augenscheinlichen Rotweinflasche – zum Trinken ging die Kapuze kurz runter, doch sein Gesicht blieb dennoch verborgen, weil er dem Publikum den Rücken zugewandt hat. Die Flasche machte eine kurze kulinarische Reise zu allen Bandmitgliedern und landete erneut bei Ginglseder, der sich noch eine zweite Rutsche gönnte. Danach war wieder hoch melodischer Black Metal angesagt, der besonders gut zur Geltung kam, wenn sich die Musiker als mysteriöser Schattenriss abzeichneten. Ob ein bandeigener Backpatch trve ist, dürfen andere beurteilen. GROZA bestätigten die textile Selbsthuldigung jedenfalls.

BLOODBATH (02:15 Uhr, TS)

Backdrop und Seitenbanner waren schick in Rot beleuchtet und fachten die Lust auf eine Band, deren letztes Album wieder ein echtes Meisterstück geworden ist, auch optisch nochmal enorm an. Allerdings lagen so einige Strapazen hinter BLOODBATH: Nachdem sich die Anreise aufgrund von Überschwemmungen am Frankfurter Flughafen verzögerte, mussten die Schweden auch noch auf ihr Equipment verzichten. Sharing is caring: Netterweise überließen ihnen AHAB Teile ihres Equipments. Leider sah und spürte man die Umstände: BLOODBATH traten ohne Schminke auf und Nick Holmes, der generell nicht für emotional-energetische Ausbrüche bekannt ist, wirkte fast etwas unmotivierter. Dem Publikum machte das offensichtlich nicht gar so viel aus und die freilich hervorragenden Songs wurden allgemein genossen. Als Opener sorgte „So You Die“ vom Debüt „Resurrection Through Carnage“ für akute Genickbruchgefahr. An dritter Stelle ging es zeitlich noch weiter zurück, denn „Breeding Death“ von der gleichnamigen ersten Veröffentlichung aus dem Jahr 2000 ließ die Anwesenden nostalgisch schwelgend abgehen. Danach überzeugte „Like Fire“ mit brutal intonierten Wechsel-Growls. Toll, dass so viele dem langen Tag trotzten und sich zu sehr später Stunde (BLOODBATH haben den Slot mit AHAB getauscht) zur T-Stage und beim Auftritt bewegten. Das fand auch Holmes, der sich fürs „not retiring“ bedankte. Später verkündete er seine Hoffnung, dass alle trinken, und nahm selbst einen Schluck aus der standesgemäßen Dose. Und so haben alle Beteiligten das Beste aus einer wahrlich unglücklichen Situation gemacht – quasi WinWin!